Im Gespräch: Bayerisches Rotes Kreuz (BRK)

„In Bayern ist das Besondere eigentlich normal.“ – Im Gespräch mit Ulrich Lübke vom BRK

Ulrich Lübke ist Kaufmännischer Leiter der Landesgeschäftsstelle des BRK. Der gebürtige Kieler hat nach einer Ausbildung zum Industriekaufmann Betriebswirtschaftslehre studiert und war unter anderem für Siemens mehrere Jahre in China tätig. 2007 kam Ulrich Lübke zum BRK und übernahm die Leitung des Strategischen Einkaufs. Als Kaufmännischer Leiter verantwortet er seit 2014 zusätzlich die Themen Finanzen und Controlling, Personalverwaltung und IT-Services.


Man kann nicht alle Anforderungen unter einen Hut bringen.

Oder doch? Beim Bayerischen Roten Kreuz (BRK) hat man jedenfalls vor 15 Jahren bereits die Herausforderung angenommen, dies zu tun und ein landesweit einheitliches Rettungswagen-Konzept umzusetzen: Die insgesamt rund 500 Rettungswagen für die nächsten vier Jahre für BRK, Arbeiter-Samariter-Bund, Branddirektion der Landeshauptstadt München, die Johanniter und Malteser sowie für eingebundene Privatunternehmen wurden erneut komplett zentral vom BRK beschafft. Eine Besonderheit, wenn man bedenkt, dass deutschlandweit manchmal in ein und derselben Wache jeder Rettungswagen innen völlig anders aussieht. Einen Rettungswagen zu bauen, der allen Ansprüchen von Aschaffenburg bis Bad Reichenhall und von Lindau bis Hof gerecht wird, ist kein Pappenstiel. Viele Meinungen müssen gehört und Vorgaben berücksichtigt werden, bis Konsens herrscht. Am Anfang steht das Lastenheft, das organisationsübergreifend in einem Arbeitskreis abgestimmt wird. Zusätzlich fließen auch die wichtigen Rückmeldungen von Einsatzkräften aus der Praxis in die Weiterentwicklung der Fahrzeugkonzepte ein.

Einer der Verantwortlichen, die den komplexen Beschaffungsprozess steuern, ist Ulrich Lübke, Kaufmännischer Leiter der Landesgeschäftsstelle des BRK. Ihn haben wir gefragt, warum man sich so viel Mühe gibt, damit ein ganz bestimmter RTW Normalität auf Süddeutschlands Straßen wird.


Safety in Numbers.

Wer so viele identisch ausgestattete Fahrzeuge ordert, erhofft sich auch andere Vorteile, als einen optimalen Ausbau. Der Kostenvorteil der Linienfertigung liegt auf der Hand, aber der kontinuierliche Zulauf identischer Fahrzeuge bedeutet auch mehr Sicherheit und Reaktionsfähigkeit.

Grundsätzlich ist es angesichts der limitierten Anzahl von Reservefahrzeugen im Rettungsdienst Bayern wichtig, dass Fahrzeugausfälle so kurz wie möglich gehalten werden. Daher sind intelligente Wartungs- und Instandsetzungskonzepte von elementarer Bedeutung. Und im Totalschadenfall kann so ein „Bayern-RTW“ durch die permanente Verfügbarkeit von standardisierten Fahrzeugen binnen vier bis acht Wochen ersetzt werden. Bei normalen Einzelbeschaffungen dauert dies üblicherweise von der Bestellung des Fahrgestells bis zur Auslieferung des fertigen Einsatzfahrzeugs mindestens ein halbes bis dreiviertel Jahr. 

Der Sicherheitsaspekt macht sich auch bei den Arbeitsabläufen der Retter bemerkbar. Die einheitliche Ausstattung ermöglicht es Einsatzkräften, sich im einen RTW so perfekt zurechtfinden wie im anderen. Der Griff nach Sauerstoffflasche Notfallrucksack und Co. geht auch im Eifer des Einsatzes nicht ins Leere. Identische Fahrzeuge bedeuten also auch einfach mehr Souveränität und weniger Stress für die Menschen, die sich bei ihrer Arbeit auf sie verlassen müssen.

Genug gute Gründe für den arbeitsintensiven Vorlauf der zentralen Beschaffung, der übrigens gerade schon wieder neu beginnt. Sicherheit bleibt bei der Planung das zentrale Element. Hier sieht das BRK noch Luft nach oben. Zum Beispiel in der Nutzung elektrohydraulischer Fahrtragen und Beladesysteme, die den Einsatzkräften den Rücken entlasten. Immer den neuesten Stand der Technik im Blick haben, heißt die Devise. „Hier stehen wir jedoch letztlich permanent im Spagat zwischen Anforderung und Finanzierbarkeit“, so Ulrich Lübke. „Denn nicht alle wünschenswerten Punkte können von den Kostenträgern bezahlt werden.“ In diesem Fall sind die hohen Stückzahlen dann nachteilig: Was bei einem einzelnen RTW vielleicht gerade noch so geht, verursacht bei 500 Fahrzeugen trotz aller mengenbedingten Skaleneffekte gleich Kosten im Millionenbereich.


Nach der Beschaffung ist vor der Beschaffung.

Die Produktentwickler beim BRK stehen laut Lübke auf dem Standpunkt, dass ein Konzept niemals fertig ist und dies auch niemals sein darf. „Stillstand wäre Rückschritt.“ Deshalb wird an den Besonderheiten der „Bayern-RTW“-Folgegeneration für 2021 bereits heute gearbeitet. In Bayern ist das völlig normal.


Tipp!

Dieser Text erschien zuerst im WAS Kundenmagazin „Safety First“. Sie können ein kostenloses Exemplar per E-Mail bei marketing@was-vehicles.com anfordern.

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