Telenotarztsystem: die Rettung der Zukunft.

Mit diesem System ist der Notarzt oder die Notärztin immer an Bord, bei jedem Einsatz. Die Geschichte einer innovativen und lebensrettenden Idee.

In Aachen wird umgebaut. Nicht nur die Hauptfeuerwache, die seit 2014 einer Komplettsanierung unterzogen wird. Auch das Notarztsystem Deutschlands erfährt hier grundlegende Impulse für die Zukunft. Denn in Aachen wurde mit Beginn des Jahres 2014 der Telenotarztdienst als zusätzlicher Baustein des Rettungsdienstes etabliert. Die Geschichte einer innovativen und lebensrettenden Idee. Wir treffen Uwe Weiß (Leitung Einsatztechnik, Feuerwehr Aachen) und Dr. Frederik Hirsch (Facharzt an der Uniklinik RWTH Aachen und Mitarbeiter der P3 telehealthcare GmbH). Zwei, die von Anfang an dabei waren.


Die Rettung der Zukunft – die Zukunft der Rettung?

Aachen ist überregional als einer der wichtigsten technisch-naturwissenschaftlichen Universitätsstandorte Deutschlands bekannt. International werden sogar Top Fifty-Rankings erreicht. Da nimmt es nicht wunder, dass in diesem Umfeld auch die Idee und die Umsetzung des Telenotarztsystems entstanden sind. Und das in nur sehr kurzer Entwicklungszeit: Das Projekt startete 2006 und war 2014 bereits marktreif. „Wir hatten den Vorteil, dass sowohl die Uniklinik Aachen, als auch die Ingenieure der P3 und wir von der Feuerwehr von Anfang an zusammengearbeitet haben. Das hat die Entwicklung und den Weg zur Marktreife enorm beschleunigt“, erläutert Uwe Weiß. In den letzten drei Jahren hat die Feuerwehr 20 RTW als Telenotarzt-Wagen ausgestattet. Das soll auch erst einmal reichen, so Weiß. Neben dem Einsatz einer neuen Technik war auch die erstmalige Anpassung und Implementierung der Handlungsabläufe für eine telemedizinische Beratung zwischen RTW Team und Telenotarzt eine der Herausforderungen. Alle Rettungsdienstmitarbeiter mussten im Vorfeld des Starts des Telenotarztdienstes geschult werden, sowohl technisch als auch kommunikativ. Die unmittelbare Kommunikation zwischen Retter und Notarzt war ja gelernt. Aber die mittelbare mit dem weit entfernt sitzenden Notarzt in der Telenotarztzentrale benötigte neue Schulungen. 160 Mitarbeiter der Feuerwehr Aachen waren dabei. Und wie es immer so ist bei Neuheiten, herrschte anfangs Skepsis bei einigen. Doch darauf folgte schon sehr bald Begeisterung. Jedem wurde klar: Mit diesem System ist der Notarzt oder die Notärztin immer an Bord, bei jedem Einsatz. Heute ist er oder sie wie selbstverständlich sofort ansprechbar, von jeder beliebigen Einsatzstelle aus. Die Entscheidung darüber, ob sofort ein Notarzt direkt mit dem Einsatzteam fährt oder ob ein Telenotarzt-Einsatzfahrzeug in Bewegung gesetzt wird, entscheidet die Leitstelle. Der Telenotarzt sitzt in einem angegliederten Raum der Leitstelle und ist zugleich Teil des Teams im RTW. Er berät, beruhigt, weist ein und an. Oftmals lange vor dem Eintreffen des leibhaftigen Notarztes. Die Erstanamnese und Erstversorgung führen zu sehr schnellen Ergebnissen. Auf Basis von übermittelten Vitalparametern, Bildern und Schilderungen der Einsatzkräfte vor Ort, erkennt der Telenotarzt den Zustand des Patienten und weiß, was zu tun ist. Bei Schmerztherapien z.B. kann Patienten sofort geholfen werden, indem der Telenotarzt dem Team vor Ort die entsprechende medikamentöse Therapie anweist und diese durch das Team durchgeführt wird. Auch die Frage, in welches Krankenhaus und in welche Abteilung ein Patient gefahren wird, ist schon im RTW geklärt. Per GPS-Datenübermittlung kann der Telenotarzt dem aufnehmenden Krankenhaus sehr genau mitteilen, wann ein Patient eintrifft. Einer von vielen Vorteilen dieses lebensrettenden Systems. Für die Retter in Aachen, so Weiß, ist die Arbeit mit dem System zur Routine geworden. Über 7.000 komplikationsfreie Einsätze im Regeleinsatz wurden seit April 2014 damit gefahren. Die Zukunft der Rettung ist schon lange im Alltag und in den Köpfen der Retter angekommen.


Das Telenotarztsystem – eine interdisziplinäre Idee.

Dr. Hirsch war bereits früh dabei, als es an die Entwicklung des Systems ging. Gefragt, was denn eigentlich zu der Idee für dieses lebensrettende System führte, berichtet er: „Vor dem Hintergrund steigender Einsatzzahlen, immer länger werdenden Anfahrtszeiten und punktueller Schwierigkeiten, auf ausreichend Notärzte zugreifen zu können, war die Frage: Kann man den Patienten in irgendeiner Form zum Notarzt bringen, anstatt wie bisher, den Notarzt zum Patienten. Und kann man sich dafür moderne Techniken zunutze machen?“ Und schon bald wurde aus der Idee Wirklichkeit. Eine telemedizinische Vernetzung zwischen medizinischem Personal und fachspezifischen Spezialisten hat sich in vielen Bereichen der Medizin bereits als vorteilhaft für die Versorgungsqualität erwiesen.
Vor diesem Hintergrund arbeitete das Forschungskonsortium der RWTH Aachen, der P3 GmbH und der Uniklinik RWTH Aachen an der Idee eines Telenotarztes, der nicht bei dem Patienten vor Ort sein müsste, sondern dessen ärztliche Expertise aus der Ferne erfolgen könnte.

Jeder der beteiligten Institutionen trug zur interdisziplinären Entwicklung bei, betont Dr. Hirsch und bestätigt seinen Counterpart Weiß. „Normalerweise dauert die Entwicklung eines vollständigen Systems mit dieser Komplexität deutlich länger.“ Hirsch selbst ist Facharzt an der Klinik für Anästhesiologie an der Uniklinik des RWTH Aachen, und gleichzeitig Teilzeitmitarbeiter der P3 telehealthcare GmbH. Die Doppelrolle half ebenfalls, das Projekt zu beschleunigen.


Der Telenotarzt – mehr als „nur“ ein Notarzt.

Eine große Herausforderung sieht Hirsch in der Ausbildung der Telenotärzte, die in vielerlei Hinsicht die tragenden Säulen des Systems sind. Sie müssen mehr können, als der klassische Notarzt. Entsprechend hoch sind auch die Anforderungen an die Qualifikationen. Ihre Ausbildung umfasst zusätzlich zur Notarzt-Qualifikation die Ausbildung zum Facharzt. Darüber hinaus müssen sie mehr als 500 Notarzteinsätze nachweisen sowie ERC-Kurse (European Resuscitation Council) und PHTL-Kurse (Prehospital Trauma Life Support) absolviert haben. Zusätzlich durchlaufen werdende Telenotärzte eine spezielle Qualifikation, bevor sie aktiv im Telenotarztdienst eingesetzt werden können. In Aachen, aber zukünftig auch anderswo, müssen Telenotärzte 24/7 erreichbar sein. Wie im Aachener Notarztdienst auch, ist der einzelne Telenotarzt zwölf Stunden im Dienst.

Wenn man weiß, dass sich in den letzten 15 Jahren das Zeitintervall von der Alarmierung bis zum Eintreffen des Notarztes stetig verlängerte, kann man auch den Handlungsdruck nachvollziehen. Zwar wurden immer wieder Maßnahmen zur Verbesserung des dualen Systems Notfallaufnahme und Notfallrettungsdienst umgesetzt. Dennoch hielt sich der Negativ-Trend hartnäckig. Wenn man zudem weiß, dass das Netz der Rettungswagenstandorte deutlich dichter ist als das der Notarztstandorte, wird das Problem deutlich. Die Entwicklung neuer Technologien ist gefragt, um das Notversorgungssystem durch den gezielten Einsatz dieser Technik auf Dauer zukunftsfähig zu machen. Laut Hirsch kommt der Telenotarztdienst zum einen den ländlichen Regionen zugute, zum anderen hilft er, verlorene Zeit durch zunehmenden Verkehr in den Städten auszugleichen. Weitere Einsatzmöglichkeiten ergeben sich bei sogenannten „Sekundärtransporten“. Im Klartext: Die Spezialisierung der Hospitäler auf bestimmte Fachgebiete erfordert mehr und mehr die Verlegung der Patienten, wenn die Behandlungen vor Ort nicht durchgeführt werden. Patienten verbringen mehr und mehr Zeit auf der Straße. Dabei ist je nach Indikation die ärztliche Begleitung vorgeschrieben. In einer genau definierten Reihe von Fällen kann nach Abstimmung zwischen Notarzt und abgebender Klinik der Notarzt durch den Telenotarzt ersetzt werden. Die knappe „Ressource Notarzt“ wird geschont, die Sicherheit des Patienten erhöht. Aus der interdisziplinären Idee ist eine marktreife Lösung entstanden, die Leben rettet.
www.p3-group.com | www.telenotarzt.de


Sichere Datenübertragung ein absolutes Muss.

Eine entscheidende Rolle beim Einsatz des Telenotarztsystems spielt die Verfügbarkeit und Bandbreite der eingesetzten Übertragungswege. Bei Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben werden in der Regel 4-m-Band, Digitalfunk und Mobilfunk eingesetzt. Moderne Kommunikations- und Datenübertragungstechnik, die im Alltag bereits verwendet wird, fehlt noch, sollte aber alsbald Einzug im Rettungsdienst halten. Im Telenotarztdienst muss in jedem Fall aber sichergestellt sein, dass eine adäquate Datenübertragung bei mindestens 95% aller Einsätze gewährleistet ist. 

Technik, die es in sich hat.

Um das komplexe System nutzen zu können, sind einige wenige technische Komponenten für den Retter notwendig.

1. Das Headset

Ein einfaches Headset in Verbindung mit der peeq®BOX genügt, um die Sprachkommunikation mit dem Telenotarzt durchzuführen.

2. Die peeq®BOX an der Defibrillatoreinheit.

Die platzsparende peeq®BOX ist das Herzstück des technischen Systems und wird direkt an der Defibrillatoreinheit angebracht. Über diese Box wird die komplette Kommunikation mit dem Telenotarzt technisch hergestellt: Direktansprache mit dem Retter, Datenübertragung der medizinischen Analyse, der Bilddaten der 360°-RTW-Kamera und der Übertragung von Fotos von der Einsatzstelle. Eine Automatisierung durch entsprechende Algorithmen sorgt dabei jederzeit für eine bestmögliche Qualität der Datenverbindung. So kann die sichere und effiziente Übertragung von Sprache und Daten gewährleistet werden.

3. Die 360°-Kamera im RTW.

Die 360°-Kamera wird nur mit Zustimmung des Patienten eingeschaltet – aus Datenschutzgründen. Die Daten werden nicht gespeichert, sondern lediglich gestreamt und damit sofort nach der Übertragung gelöscht. Die Kamera gibt dem Telenotarzt die notwendigen, direkten visuellen Eindrücke zur Patientenanalyse.

4. Die peeq®App.

Die App auf dem Handy der Retter. Via App kann der Retter verschiedene Statusdaten der peeq®BOX einsehen, Fotos anfertigen und diese voll automatisiert an den Telenotarzt übertragen. Das Smartphone ist somit gleichzeitig eine Backuplösung für die Audiokommunikation.


Tipp!

Dieser Text erschien zuerst im WAS Kundenmagazin „Safety First“. Sie können ein kostenloses Exemplar, mit diesem und vielen weiteren interessanten Themen, per E-Mail bei marketing@was-vehicles.com anfordern.

nach oben